Die Zukunft der Offizin Haag-Drugulin, Dresden, ist ungewiss.

Sil­via Werfel

Nach dem Tod Ecke­hart Schu­ma­cher­Ge­blers am 17. Dezem­ber 2022 ist unge­wiss, wie es mit der Offi­zin Haag-Dru­gu­lin (OHD) wei­ter­geht. Schu­ma­cher­Ge­bler hat­te den 1829 gegrün­de­ten renom­mier­ten Leip­zi­ger Betrieb nach der Wen­de über­nom­men und ihn zuletzt zehn Jah­re in Dres­den wei­ter­ge­führt. Nicht als Muse­ums­werk­statt, son­dern als Hand­werks­be­trieb. Gewinn­ma­xi­mie­rung stand hier nicht im Fokus. Ecke­hart Schu­ma­cher­Ge­blers Anlie­gen war, einen Kul­tur­schatz und die damit ver­bun­de­nen Fer­tig­kei­ten zu erhal­ten und wei­ter­zu­ge­ben. So wer­den in der OHD Druck­auf­trä­ge im Blei­satz und Buch­druck auf höchs­tem pro­fes­sio­nel­len Niveau durch­ge­führt, dank der Mono­ty­pe auch Buch­pro­jek­te grö­ße­ren Umfangs.

Kern der OHD ist das his­to­ri­sche typo­gra­fi­sche Mate­ri­al, das Ecke­hart Schu­ma­cher­Ge­bler in über sech­zig Jah­ren zusam­men­ge­tra­gen, gepflegt und genutzt hat: also die ein­zig­ar­ti­gen immensen Schrift- und Matri­zen­schät­ze, die funk­ti­ons­tüch­ti­gen Mono­ty­pe- und Buch­druck­ma­schi­nen, vor allem aber das hier ver­sam­mel­te Wis­sen. Gemeint sind die in den his­to­ri­schen Tech­ni­ken aus­ge­bil­de­ten, hoch­mo­ti­vier­ten Men­schen, allen vor­an Max Lot­ze [Foto] als jüngs­ter Mono­ty­pe­gie­ßer Deutsch­lands und Hei­ke Schno­ta­le [Foto] als (eben­falls noch jun­ge) Schrift­set­ze­rin und Mono­ty­pe­tas­te­rin. Zum Team gehö­ren als Kräf­te mit lang­jäh­ri­ger Berufs­er­fah­rung der Dru­cker Albrecht Gün­ther [Foto] und die Set­ze­rin Ute Finger.

Wei­ter­hin auf höchs­tem Niveau zu set­zen und zu dru­cken, ist das erklär­te Ziel. Druck­pro­jek­te gäbe es. Dar­über hin­aus sind die Mit­ar­bei­ter dazu befä­higt, ande­re aus­zu­bil­den und so für den Fort­be­stand von Hand­werks­be­ru­fen wie Schrift­set­zer, Mono­ty­pe-Tas­ter und ‑Gie­ßer und Buch­dru­cker zu sorgen.

Fest­steht jedoch, dass die Offi­zin und ihre Mit­ar­bei­ter finan­zi­el­le Unter­stüt­zung brau­chen, denn die Erben kön­nen den tra­di­ti­ons­rei­chen Betrieb nicht wei­ter­füh­ren. An mög­li­chen Lösun­gen wird bereits gear­bei­tet. So son­diert die genos­sen­schaft­lich orga­ni­sier­te Bücher­gil­de Guten­berg gera­de, inwie­weit sie sich am Fort­be­stehen der OHD betei­li­gen könn­te. Ein genos­sen­schaft­li­ches Kon­zept wäre auch für die Offi­zin denkbar.

Wie gehen ande­re Natio­nen mit ihrem Kul­tur­er­be um? Die Fran­zo­sen ehren – nach dem japa­ni­schen Vor­bild der „leben­den Natio­nal­schät­ze“ – seit 1994 hand­werk­li­che Meis­ter­schaft mit der Ernen­nung außer­ge­wöhn­li­cher Maî­tres d’Arts, unter ande­rem im Bereich Schrift­her­stel­lung und Druck, weil sowohl „für die Bewah­rung des Erbes, als auch für das zeit­ge­nös­si­sche Schaf­fen“ die­ses hand­werk­li­che Wis­sen uner­läss­lich sei (Cathe­ri­ne Tas­ca). Die süd­ko­rea­ni­sche Metro­po­le Che­ongju fei­ert das hier im 14. Jahr­hun­der­te mit Metall­ty­pen gedruck­te Buch „Jik­ji“ gar als Iden­ti­tät stif­ten­des Kulturgut.

Und was geschieht im Lan­des Guten­bergs mit Guten­bergs Erbe? Gedruck­te Text- und Bild­me­di­en sind seit fast 600 Jah­ren Teil der euro­päi­schen Kul­tur und Wis­sens­ge­sell­schaft, in Deutsch­land ste­hen Johan­nes Guten­berg und Albrecht Dürer für die Anfän­ge die­ser Inno­va­ti­on. So heißt es sinn­ge­mäß im „Bun­des­wei­ten Ver­zeich­nis des Imma­te­ri­el­len Kul­tur­er­bes“, in das die „Künst­le­ri­schen Druck­tech­ni­ken“ 2018 auf­ge­nom­men wur­den, ein ers­ter Schritt in Rich­tung UNESCO-Welt­kul­tur­er­be. Die­ses imma­te­ri­el­le Kul­tur­er­be wird, erwei­tert um Schrift­her­stel­lung und Satz, in der Offi­zin Haag-Dru­gu­lin ganz hand­greif­lich bewahrt und gepflegt.

Bund und Län­der mit ins Boot der Druck­kunst zu holen, ist bis­lang nicht geglückt. So konn­te die Schrift­gie­ße­rei Rai­ner Gers­ten­berg in Darm­stadt nicht geret­tet wer­den und das „Welt­mu­se­um“ der Druck­kunst kämpft in Mainz als „Städ­ti­sches Amt 451“ wei­ter um jeden Cent.

Was geschieht nun mit der Offi­zin Haag-Dru­gu­lin? Viel­leicht kön­nen es Genos­sin­nen und Genos­sen rich­ten? Oder ein Pri­va­tier, eine Pri­va­tie­re mit dem nöti­gen finan­zi­el­len Hintergrund?

Wer sich an der Ret­tung der Offi­zin Haag-Dru­gu­lin betei­li­gen möch­te, mel­de sich bit­te bei:
christianschumachergebler@hotmail.com
elspas@buechergilde.de
werfelsi@me.com

Infor­ma­tio­nen zur OHD:
https://offizin-haag-drugulin.de

Zur Autorin:

Sil­via Wer­fel M.A. arbei­tet nach Abitur, Schrift­set­zer­leh­re und Stu­di­um an der Main­zer Johan­nes-Guten­berg-Uni­ver­si­tät seit Mit­te der 1980er Jah­re als Fach­jour­na­lis­tin und Fach­au­to­rin. Sie ist akti­ves Mit­glied unter ande­rem in der Gesell­schaft der Biblio­phi­len (Schrift­füh­re­rin im Vor­stand), in der inter­na­tio­na­len Arbeits­ge­mein­schaft „Typo­gra­fie in der Wis­sens­ver­mitt­lung“, in der Typo­gra­phi­schen Gesell­schaft Mün­chen, im Inter­na­tio­na­len Arbeits­kreis Druck- und Medi­en­ge­schich­te und im Ver­ein für die Schwar­ze Kunst.